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Uebersichtsartikel 2001
Uebersichtsbrief 2005
Erreichtes bis 1998
     
 

Kolumne aus dem Büsinger Glaspalast            Für Apropos 28 im Frühjahr 2001

 

Weihnachten und Karfreitag, Geburt und Tod, ein kurzes und folgenreiches Leben lag zwischen diesen Daten.

Das achte, neunte und zehnte Gebot, Bereicherungsverbot, Ehrlichkeitsgebot und Begehrlichkeitsverbot, wurden damals nicht beachtet.

Verfassungen haben heute ein Gleichheitsgebot. Das Verhalten vieler Menschen änderte sich auch nach 2000 Jahren nicht, wie das folgende Beispiel zeigt.

 Gegenstand

Büsingen liegt geographisch mitten im Kanton Schaffhausen und gehört zum Schweizer Zoll- und Wirtschaftsgebiet. Folgerichtig wäre die Anwendung des Schweizer Steuerrechtes oder die Anwendung des Deutschen Steuerrechtes unter Berücksichtigung der tatsächlichen Situation. Die Regelung muss in einem förmlichen Gesetz, einer sachgerechten allgemeinen Billigkeitsmassnahme oder durch sachgerechte Billigkeitsmassnahmen im Einzelfall erfolgen.

 Zusammenfassung

Das Gleichheitsgebot verbietet Ungleiches gleich zu behandeln. Eine ähnliche Situation wie für die Büsinger Arbeitnehmer in der Schweiz besteht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes – Beamte, Angestellte der Gemeinde Büsingen, für das Botschaftspersonal oder das Personal von Firmen der Privatwirtschaft die ins Ausland entsandt werden. Für ins Ausland entsandte Personen ist der vom inländischen Arbeitgeber gewährte Kaufkraftausgleich steuerfrei. Die gesetzliche Regelung in § 3 Ziffer 64 des Einkommensteuergesetzes besteht seit 1975 und legalisiert eine seit 1950 bestehende entsprechende Verwaltungspraxis.

§ 3 Ziffer 62 regelt die Steuerbefreiung der Arbeitgeberanteile für Krankenkasse etc..

Es wird zwar behauptet, dass die Büsinger nach deutschem Steuerrecht behandelt werden, weil aber das deutsche Steuerrecht nicht sachgerecht angewendet wird, müssen die Büsinger Arbeitnehmer wesentlich mehr Einkommensteuer bezahlen als vergleichbare Arbeitnehmer in Deutschland.

 Untersuchung

Arbeitslosenversicherung

Als 1966 die Zahl der Arbeitslosen im gesamten Bundesgebiet auf 216 000 entsprechend 0,7 % stieg, verlangte die Allgemeine Ortskrankenkasse von mir auch Beiträge. Da der Schweizer Arbeitgeber keinen Anteil bezahlte, musste der doppelte Arbeitnehmeranteil bezahlt werden. Weil wir kein Arbeitgeber waren, musste der dem Arbeitgeberanteil entsprechende Anteil auch noch versteuert werden. Für den Arbeitgeber in Deutschland wäre er steuerfrei gewesen. Gleichzeitig waren wir von den Leistungen ausgeschlossen, weil unser Arbeitsplatz ausserhalb des Geltungsbereichs des Arbeitsförderungsgesetzes lag. Dies wurde ab 1. Januar 1984 geändert und wir kamen in die Schweizer Arbeitslosenversicherung.

 Pensionskasse

Als durch die „konzertierte Aktion“ zwischen Staat, Gewerkschaften und Wirtschaft mit Finanzminister Franz Josef Strauss, Wirtschaft und Finanzen saniert wurden, hatte dies zur Folge, dass ich 1968 rückwirkend ab 1967 den Arbeitgeberanteil zur Pensionskasse versteuern musste. Nicht durch Gesetz sondern durch Klebezettel: „Seit Ihrer Aufnahme in die Pensionskasse ... leistet auch der Arbeitgeber zu Ihren Gunsten erhebliche Beiträge an diese Kasse. Diese vom Arbeitgeber für Ihre Zukunftssicherung geleisteten Beiträge – vermindert um 312.- DM pro Jahr – sind steuerpflichtiger Arbeitslohn“.

Herr Finanzminister Robert Gleichauf, Stuttgart, liess mir mitteilen, dass die Arbeitgeberanteile zu den schweizerischen Pensionskassen rückwirkend ab 1978 nicht mehr zu versteuern sind. Im Prozess für die Jahre 1980-1982 wurde aber nachgewiesen, dass zumindest in meinem Einzelfall der Arbeitgeberanteil zur Pensionskasse weiterhin versteuert werden musste.

 Krankenkasse

In Deutschland bezahlt der deutsche Arbeitgeber die Hälfte des Krankenkassenbeitrages, der als Betriebsausgabe für diesen steuerfrei ist. Im Gegensatz dazu verlangt das Finanzamt Singen von uns für diesen Anteil Einkommensteuer. Herr Finanzminister Gleichauf begründete das damit, dass wir nicht krankenkassenpflichtig wären. Tatsächlich waren wir zwangsweise krankenversicherungspflichtig in der Schweiz.

Geschichte

Der Im Thurn-Handel, 1693-1699, wird oft als Begründung angeführt, warum Büsingen zum ewigen Ärgernis der Stadt Schaffhausen auf ewig österreichisch bleiben sollte. Im absolutistischen Österreich konnte immer nur einer eine Position erben, die anderen mussten weichen. In der Schweiz erbte die Familie und dies führte zu den Schwierigkeiten zwischen dem Junker Eberhard und der Schaffhauser Familie.

Am 26. November 1835 wurde Büsingen als ungeeignet aus dem entstehenden deutschen Zollverein ausgeschlossen.

Eine Übereinkunft vom 3. Januar 1896 mit der Schweiz regelte Zolltarife für Holz, Butter, Weintrauben, Kühe, Rinder, Jungvieh, Kälber und Schweine.

Aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft blieb Büsingen am 23.07.1984 ausgeschlossen. Le territoire douanier de la Communauté comprend: - Les territoires allemands à l’exception du territoire de Büsingen.

Am 21. August 1946 hat die Commission Mixte beschlossen:

„Ziffer 8: Die französischen Besatzungsbehörden in Deutschland haben nichts gegen die Aufhebung der schweizerischen Zollkontrolle um die deutsche Enklave Büsingen einzuwenden. Es besteht Einverständnis darüber, dass es sich aber dabei nicht um einen Anschluss an die Schweiz handelt und dass diese rein schweizerische Zollmassnahme die gegenwärtigen Kontrollrechte des französischen Oberkommandos in Deutschland in Bezug auf die öffentliche Sicherheit und das Zollwesen in keiner Weise schmälern darf“.

Im Staatsvertrag vom 23. November 1964 wurde das Gebiet der Einkommensteuer ausgeklammert, weil nach Meinung des Stuttgarter Finanzministeriums die Schweizer sonst für alle Zeit mitreden könnten  (Dr. Bollacher).

 Schwarzgeldaffäre

wurde für 2000 zum Wort des Jahres gewählt. Von 1969 bis zu seinem Ableben 1989 hatte der Präsident der Staatsbürgerlichen Vereinigung, Herr Dr. Hans Buwert, seinen Wohnsitz in Büsingen. Nach Mitteilung seines Mitarbeiters kamen sie schon ab 1964 nach Büsingen. Während der Zeit in Büsingen sammelte die Staatsbürgerliche Vereinigung nach Mitteilungen in der Presse Spendengelder in Höhe von 215 Millionen DM. Dem Fiskus entgingen nach Der Spiegel 4/2000 schätzungsweise mehr als 100 Millionen Mark, weil die Spenden voll von den Steuerschulden abgezogen wurden.

1982 zog Herr Artur Missbach nach Büsingen. Redaktionsadresse seiner Zeitung „Vertrauliche Mitteilungen“ war schon vorher Büsingen. Nach Der Spiegel 12/2000 sammelte Herr Karl Friedrich Grau Spenden in Millionenhöhe und half der Hessen-Union bei der Geldwäsche. Die Zweigstelle Nord der Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit des Herrn Grau wurde von Herrn Missbach betreut.

Im Februar 1984 erklärte der Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Herr Ministerialdirektor Dr. Adalbert Uelner, er werde alles tun um eine steuerliche Regelung in Büsingen zu verhindern – er kenne die Büsinger – und gegenüber Herrn Staatssekretär Häfele – „nur über meine Leiche“. Im Rahmen der Steuerbefreiung als Gegenzug für die Spenden wurde Herr Dr. Uelner von seinem Parteichef unter Druck gesetzt und als ein brillanter Steuersystematiker, aber gleichzeitig auch als puritanischer Gerechtigkeitsfanatiker bezeichnet. Zwar behauptet Herr Dr. Uelner, aus den Akten lasse sich nicht belegen, dass die angeprangerte Parteispendenpraxis der Finanzverwaltung bekannt gewesen ist. Offensichtlich trat aber doch Wirkung ein.

 Kleine Lösungen

Irgendetwas musste man aber doch machen und so schrieb der Bundesminister der Finanzen am 2. Juli 1984 auf meine Pet 2-10-08-6110-2442- an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages: „Ich habe mich entschlossen, mit Wirkung vom 1. Januar 1983 den Büsingern in Form der Zulassung eines steuerlichen Freibetrages entgegenzukommen. Dieser soll bei Ledigen 20 % des auf 10.000 DM, bei Verheirateten 20 % des auf 20.000 DM begrenzten Einkommens betragen. Für Kinder erhöhen sich diese Beträge um 20 % von 3.000 DM“.

In der Zwischenzeit wurden dieser steuerliche Freibetrag zweimal angehoben auf nunmehr 25% mit Begrenzung auf 20.000 DM bei Ledigen, 40.000 DM bei Verheirateten und 10.000 DM pro Kind.

Am 2. Juli 1984 wies der Bundesminister der Finanzen darauf hin:

„Nach Ermittlungen der Oberfinanzdirektion Freiburg tätigen zudem die Bürger Büsingens einen grossen Teil ihrer Einkäufe im grenznahen Bundesgebiet“.

„Der zwangsweise in der Schweiz verwendete Teil des Einkommens wird bei Ledigen auf 10.000 DM, bei Verheirateten auf 20.000 DM geschätzt“.

Die Schätzung des Bundesministers der Finanzen war in meinem Einzelfall unzutreffend.

 Deutsches Recht

Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die Doppelbelastung aus der nach deutschem Recht erhobenen hohen Einkommensteuer und den hohen schweizerischen Lebenshaltungskosten ergibt. Eine Situation entsprechend Büsingen haben auch die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes, die ins Ausland entsandt werden, bei denen der Kaufkraftausgleich nach § 3, Ziffer 64 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei bleibt. Ebenso regelt § 3, Ziffer 62 die steuerliche Behandlung der Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen. Das deutsche Steuerrecht müsste nur entsprechend angewendet werden. Nach § 3, Ziffer 1 und 3 unserer Verfassung wäre dies sogar zwingend. Man rettet sich juristisch so, dass man erklärt, der Gleichheitssatz verbietet lediglich, dass wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, dass wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Damit kann man aber nur scheinbar Willkür begründen.

 Berechnung der Steuer

Am 19. März 1976 erklärte unser Landtagsabgeordneter, Herr Landrat Dr. Robert Maus: „Ihr schimpft ja nur, gebt mir ein konkretes Beispiel und wir können helfen“. Leider wurde mein konkretes Beispiel vom Stuttgarter Finanzministerium nicht entsprechend behandelt, sondern lange bekannte Vorurteile aufgelistet und an andere Ministerien weiter verbreitet. Zum Beispiel: „Die betroffen Steuerpflichtigen haben in den Jahren günstiger Wechselkurse Vorteile gezogen, ohne dass die Steuerverwaltung ihrerseits geprüft hätte, ob die entsprechenden Einnahmen für Zwecke der Besteuerung auf ein höheres Niveau umzurechnen gewesen wären. Wechselkurs-Schwankungen dürften sich – auf längere Sicht gesehen – etwa ausgleichen“. „Auch ist darauf hinzuweisen, dass die gleiche Situation bei den 10000 bis 15000 Grenzgängern besteht, die im deutschen Grenzgebiet wohnen, aber jenseits der Grenze arbeiten“.

Dies ist unrichtig, weil es für die Büsinger seit 1950 durch die Differenz zwischen Devisenkurs und Kaufkraft nie Vorteile gegeben hat und weil die Grenzgänger immer einen Kursgewinn hatten.

Eine Berechung der Steuer an einem konkreten Beispiel konnte Herr Dr. Maus auch in den nachfolgenden Jahren nicht durchsetzen.

Noch im Jahre 2000 schreibt der Petitionsausschuss des Landtages Baden-Württemberg: „Mit der Petition wendet sich der Petent dagegen, dass der Kaufkraftunterschied in der Gemeinde B. und dem deutschen Umland nicht als Grund für eine umfassende Billigkeitsmassnahme anerkannt wird“.

Die Grenzgänger haben, wie erwähnt, durch die Differenz zwischen Devisenkurs und Kaufkraft erhebliche Vorteile gezogen während die Büsinger Arbeitnehmer die entsprechenden Nachteile hatten.

 Verfassungskonforme Lösung

Seit der Anregung von Herrn Dr. Maus, gestützt auf seine Erfahrungen als Richter, versuche ich die Steuern berechnen zu lassen, die ich ab 1966 zu bezahlen gehabt hätte, wenn die bestehende gesetzliche Regelung § 3 Nr. 62 und 64 EStG (Einkommensteuergesetz) entsprechend angewendet worden wäre. Aus der Differenz zur tatsächlich verlangten Steuer ergibt sich dann die, gegenüber einem Arbeitnehmer mit Arbeit und Wohnsitz in Deutschland, mehr verlangte Steuer.

Das Problem ist nicht das deutsche Recht, sondern seine Anwendung in Büsingen.

Zuständig für die Erhebung der Einkommensteuer ist die Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg.

Es ist auch nicht hilfreich wenn, Herr Dr. Bollacher fragt, warum ich immer auf dem Stuttgart Finanzministerium herumhacken würde. Das Land Baden-Württemberg erhalte nur 42.5 % von den mehr verlangten Steuern, während der Bund auch 42.5 % bekomme und auch die Gemeinde profitiere mit 15 %. 

Die Folgerungen

Die Folgen für Büsingen sind hier bekannt.

Die Beachtung des Bereicherungsverbotes, des Ehrlichkeitsgebotes und des Begehrlichkeitsverbotes hätten Schaden von den Menschen genommen. 

Es grüsst

Hans-Joachim Böhm, Gemeinderat